Theobald Hock |
Poet und Herr der Feste Sonnberg |
1610 bis 1618 |
Sonnberg hat zwar im großen Weltgeschehen nie eine Rolle gespielt; dennoch lassen sich auch anhand der lokalen Ereignisse in Südböhmen wie unter einem großen Brennglas die Irrungen und Wirrungen der letzten zwanzig Jahre bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges nachvollziehen.
Eine der dominanten Figuren der Lokalgeschichte war Theobald Hock oder Theobald Hock von Zweibrück, geboren 1573 in der Rheinpfalz. Seine Familie, erbeingesessen in der Nähe von Zweibrücken, stand vermutlich seit Anfang des 15.Jahrhunderts in königlichen Diensten und soll – das ist strittig - seit Mitte des 16. Jahrhunderts als geadelt bestätigt worden sein.
Unser Theobald Hock trat 1601 als deutscher Sekretär in Südböhmen in den Dienst Peter Wocks von Rosenberg, einem überzeugten Protestanten und hatte alsbald aufgrund seines Könnens und seiner diplomatischen Verbindungen zu den protestantischen Ständen im Reich eine Vertrauensstellung inne. Nichtsdestoweniger oder deswegen wurde er bald in leidenschaftliche politische und konfessionelle Kämpfe verwickelt, welche unter Kaiser Rudolf II in Böhmen begannen und schließlich zur Einsetzung des pfälzischen Kurfürsten als König von Böhmen und 1620 zur Schlacht am Weißen Berge bei Prag führten.
Aber noch war es nicht soweit. Theobald Hocks hohe Bildung und sein literarisches Talent – er war einer der bedeutendsten deutschen Lyriker seiner Zeit und hat uns u. a. die Gedichtsammlung „Schoenes Blumenfeld“ hinterlassen, die noch Ende des 19. Jahrhunderts neu aufgelegt wurde (siehe 1) – mögen ihm bei Hofe Tür und Tor geöffnet haben. Zu Diensten bei verschiedenen Herren, längere Zeit am Hofe des Fürsten Christian von Anhalt verweilend, wanderte er weiter nach Prag und trat dort in die Dienste Kaiser Rudolf II. um von dort 1601 als „deutscher Sekretär“ nach Südböhmen an den Hof Peter Wocks von Rosenberg zu gelangen.
In kürzester Zeit erwarb er sich dort eine außerordentliche Vertrauensstellung, die er bis zum Ableben des Patrons behauptete. In dieser Position verhalf er seinem Bruder Anastasius zu einer Anstellung als Leibarzt Peter Wocks. Das Wissen und Können des Anastasius Hock als „Medikus“ stehen außer Frage und sind mehrfach urkundlich belegt – heute gilt Anastasius Hock als „erster Medizinprofessor“ der Saarpfalzregion (siehe 4).Zurück zu Theobald Hock. Mit Macht und Einfluss verbesserten sich auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse Hocks. 1610 verkaufte Peter Wock den Brüdern Hock und einem Vetter Hans, von dem noch die Rede sein wird, die Feste Sonnberg nebst neun dazugehörenden Dörfern zu einem Spottpreis, schon mehr als Geschenk. 1611 ließ es sich Peter Wock nicht nehmen, auf seinem Schlosse die Hochzeit seines Sekretärs mit Agnes Kolchreiter von Cernoduben auf das prächtigste und kostspieligste auszurichten. Bereits 1602 wurde nach Vorlage eines (wahrscheinlich von seinem Vetter gefälschten) Adelsbriefes und auf Betreiben Peter Wocks hin, ihm, seinem Bruder und seinem Vetter von Kaiser Rudolf das Adelsprädikat verliehen; dieses jedoch erst 1610 nach langer Prüfung vom Böhmischen Landtag bestätigt.
Peter Wock war über seine Kontakte zum Fürsten von Anhalt und zum Hofe des pfälzischen Kurfürsten und mit seinen Verbindungen zu den böhmischen adeligen Protestanten in das diplomatische Verwirrspiel, das zur (protestantischen) Unionsgründung führte, voll eingebunden und wahrscheinlich auch einer der aktivsten Unterstützer (siehe 2). Eine gewichtige Rolle spielte hierbei unser Theobald Hock – nicht nur Bote sondern auch Diplomat und Berater: Ein pfälzischer Sekretär am Hofe eines böhmischen Magnaten und (über seinen Bruder) mit besten Verbindungen nach Frankreich an den Hof des Königs.
Mit seinem kometenhaften gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufstieg gewann er nicht nur Freunde sondern auch Neider. Dazu machte er sich durch seine politischen Aktivitäten mächtige Feinde im Lande und bei Hofe in Prag. Zumal er auch ein überaus eifriger Verfechter der protestantischen Sache war und ein streitbarer Geist, der protestantische Streitschriften übersetzte und herausgab und damit die katholischen Gegenpartei im Lande aufs äußerste reizte.1611 starb Peter Wock, der letzte böhmische Rosenberger. Sein ganzer Besitz ging an Georg von Schwamberg, der ebenfalls der protestantischen Partei angehörte. Die katholischen Verwandten der Rosenberger, die leer ausgegangen waren, hielten zunächst still. Aber mit Besserung der politischen Lage aus ihrer Sicht und mit Unterstützung der Prager Regierung, die die Sache der „Katholischen“ vertrat, versuchte man das verhasste Testament aus der Welt zu schaffen. Als Schwachstelle und erstes Ziel meinte man den ehemaligen deutschen Sekretär Peter Wocks erkannt zu haben, zumal er zum Sachwalter und Vollstrecker der einschlägigen (protestantischen) Passagen des Testaments bestimmt war (siehe 3) und, das war viel kritischer, er anscheinend der (böhmische) Verbindungsmann zur evangelischen Union und zur antihabsburgischen Koalition war.
Dazu kam ein interner Streit zwischen Theobald Hock und seinem Vetter Hans Hock um die Herrschaft Sonnberg, Trotz gerichtlicher Vergleiche ging der Streit weiter, was dazu führte, dass sein Vetter Hans ihn in Prag bei Hofe denunzierte und sich mit der katholischen Fraktion in Prag verbündete, letztlich um mit deren Hilfe an die Herrschaft Sonnberg zu gelangen.
So sollte – so die bald eröffnete Anklage - Theobald Hock das Testament des letzten Rosenbergers gefälscht, hochverräterische Beziehungen zu Lasten des Königs mit Landständen, Kur- und anderen Fürsten unterhalten und letztlich mit einem gefälschten Adelsbrief Peter Wock getäuscht und deshalb auf unrechtmäßige Art den Adelstitel erlangt haben.Den Brüdern Hock wurde der Prozess gemacht und beide auf Betreiben des Abtes von Hohenfurt und des Prager Erzbischofs verhaftet und eingesperrt. Theobald wurde in den Prager Weissen Turm eingeliefert und dort auch „hochnotpeinlich befragt“. Trotz Tortur gestand er keines der angeblichen Vergehen, ganz im Gegenteil sah er sich in seinen Verteidigungsschriften als Opfer von Intrigen und Verschwörungen und als Verfolgter wegen seines (evangelischen) Glaubens. Trotzdem wurde er in allen Punkten für schuldig und aller Titel verlustig gesprochen, aller Güter enteignet und zum Tode, sein Bruder Anastasius zu schwerem Kerker verurteilt.
Es hätte sicher noch dieses schlimme Ende genommen, wenn nicht die Ereignisse um den Prager Fenstersturz (23. Mai 1618) beide gerettet hätten. Theobald entkam seinen Peinigern, blieb aber als königlicher Gefangener bis Anfang 1619 weiter in Haft. Dank seiner prominenten Fürsprecher, u. a. Peter von Schwamberg, der zwischenzeitlich das Rosenberger Erbe angetreten hatte und der neuen Machtverhältnisse in Prag, veränderte sich die Lage zu seinem Vorteil. Bereits Ende 1618 waren die Hocks wieder in Besitz der Feste Sonnberg. Und nach den Annalen stand 1620 Anastasius Hock im Dienste des Winterkönigs und Theobald, nach seiner Freilassung durch die Stände zum Obersten ernannt, kämpfte in der Schlacht am Weißen Berge 1620 mit seinem Regiment gegen die Kaiserlichen.
Noch vor der verlorenen Schlacht am 8. November 1620 wurde das Gut Sonnberg bereits im Februar 1620 von Kaiser Ferdinand II. dem Grafen Karl Bonaventura von Buquoy für hervorragende Dienste übereignet und 1621 alle Güter des Grafen von Schwamberg von der königlichen Kammer in Prag konfisziert.
Eine letzte Spur Theobald Hocks wird aus dem Jahre 1624 überliefert – Hock als Sekretär und Commissarius des Grafen von Mansfeld, verhandelt mit den elsässischen Städten über Kontributionen. Danach verliert sich seine Spur im Dunkeln. Nach wenig zuverlässiger Quelle soll er erst 1658 gestorben sein. Sein Vetter Hans Hock tauchte bezeichnenderweise erst nach dem Sieg der Kaiserlichen wieder auf und versuchte vergeblich seine Reputation und das Gut Sonnberg wieder zu erlangen. Frei nach J. Cäsar - „Ich liebe den Verrat, hasse aber den Verräter.“ – wurde er das Opfer seiner eigenen Intrigen.Was ist geblieben? Die Feste Sonnberg gibt es noch – als Museum - und die alte wieder restaurierte Sonnberger Pfarrkirche mit ihren zeitgenössischen Wandmalereien. 2012 wurden hier über der Kirchenempore Fresken freigelegt, die direkt auf Theobald Hock (1615) zurückzuführen sind: Ein großformatiges ornamentales Fresko mit einem Bibelzitat in deutscher Sprache und mit den Wappen Theobald Hocks und seiner Gemahlin, über dem Türsturz ein Bibelzitat mit der Jahreszahl 1615 und ein Grabstein u. a. mit beider Wappen (s. u.).
Von Theobald Hock bleiben uns weiter eine wunderschöne mittelalterliche Gedichtsammlung "Schönes Blumenfeld" ( s. u.) und das Haus Nr. 43 in Sonnberg, über dessen Eingangstor ein Wappen mit der Jahreszahl 1613 und der Aufschrift H A K eingemeißelt ist. Lt. A. Cechner „gehörte das Haus den Brüdern Hock von Zweibrück, welche im Dienst der Rosenberger standen und kurze Zeit, - von 1610 – 1618 -, auch im Besitze von Sonnberg waren.“
© Ernst Wohlschläger
Quellen und Zitate aus
1) „Theobald Hock – Schoenes Blumenfeld“ Max Koch, Max Niemeyer, Halle a.S. 1899„
2) "Die Rosenberge waren alle eifrig katholisch gewesen bis auf den letzten, Hocks Dienstherren, der durch den Einfluss seiner Gemahlin zu der hussitischen Sekte der Pikkarditen übergetreten war und nun mit seinem Einfluss und Reichtum die protestantische Partei mächtig unterstützte. Sei Bruder und unmittelbarer Vorgänger Wilhelm hatte die Jesuiten nach Krumau berufen; Peter Wok trug in seinem letzten Willen ganz besonders Sorgfalt für die Ausstattung und möglichst dauernde Sicherung einer evangelischen Schule, welche den Namen „Die Rossenberger Schule“ tragen sollte; in seiner Stadt Sobiesslau.“
3) "Am 12. März 1616 nahm Theobald Hock in einem sehr entschiedenen Briefe seine Unterthanen zu Sonnberg und Deutsch-Reichenau gegen die Einwirkungen des Abtes von Hohenfurt in Schutz. Der Abt rief dagegen die Hilfe des Erzdechanten und Inquisitors des Bechyner Kreises, des Jesuiten Nicolaus Clemens zu Crombaw (Krumau) an. Dieser „Turbator publicae pacis“, wie ihn Hock nennt, befahl nun seinerseits im August dem utraquistischen, verheirateten Pfarrer zu Sonnberg, M. Johann Wachtel, „ein gantz vnerlaubt Inquisition, drinn er auch aller Collaturen eingepfarrten Unterthanen beschaffenheit am vermögen, und allem begert zu beschreiben.“Wie es nach Kaiser Rudolf Majestätsbrief und dem Vergleich der beiden Parteien der Stände Hocks unzweifelhaftes Recht war, untersagte er als ritterlicher Gutsherr seinem Pfarrer die Befolgung dieses Befehls, worauf der martialische Jurist „auß boßhaffter rachgir gegen mir also erhitzt war, dass er vngescheucht meinem Prister zuschreiben dorfft diß vnter andern, als nit ewig dein der Sonberger, so todt zuschlagen, Herr würd leben“.
Von dem Erzdechanten benachrichtigt mischte sich nun auch der Prager Erzbischof in die Sache und befahl dem Pfarrer, die „schändliche vergiffte gemeinschafften, so zur Hölle führen“ mit Hock und den Seingen, diesen ärgsten Ketzern, zu meiden.
Mit dem utraquistischen Priester wurde die kirchliche Behörde in der Folge (November 1617) leicht fertig. Auf Befehl der königlichen Kanzlei hatte sich M. Wachtel zu Prag beim Herrn Erzbischof stellen müsse, der ihn so lange in einen Kerker sperrte, bis der darüber erkrankte und vergeistete Pfarrer sich verreservierte, der Crombauischen jesuitischen Inquisition sich zu submittiren und zu untergeben, sein geehligtes Eheweib von sich zu jagen und ferner der Communion in beederley Gestalt müssig zu stehen.“
4) Reinhardt Kurt, internet 23.05.1999 „Anastasius Hock – Der erste Medizinprofessor aus der Saarpfalzregion(?)“ 5) Dr. Johannes Matthäus Klimesch, in „Waldheimat“, 10.1932, Verlag Moldavia, Budweis „Ein deutscher Dichter aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts als Besitzer des Gutes Sonnberg bei Gratzen.“
siehe auch:
Sterneck, Tomáš: Hock von Zweibrücken, Theobald In: Biografický slovník českých zemí [=Biographisches Lexikon der Böhmischen Länder] XXV (Hl–Hol). Prag 2022, S. 696–697.