Kaiser Maximilian II.
© Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Wien
Die Kirche St. Johannes des Täufers in Žumberk/Sonnberg |
- Glocken - |
"Abschied"Pfarrer Reichenauer berichtet 1942 über den Verlust der Glocken:“Am 19.01.1942 nahmen die Glocken von uns Abschied, und zwar die größere und die kleine, die mittlere blieb. Die Abnahme der Glocken hatte die Baufirma Hoffelner aus D. Beneschau über. Als Arbeiter waren Zimmerleute aus Chwalkahof beschäftigt. Vor der Abnahme konnten wir noch alle einmal hören. Als die große Glocke die Glockenstube verließ und herabgelassen wurde, gab die mittlere Glocke das Abschiedsgeläute. Die große Glocke hatte ein Gewicht von ca. 500 Kg und einen Durchmesser von 94 cm. Folgende Inschriften waren darauf: oben, ”Die Lebenden rufe ich, die Toten beklage ich, die Blitze breche ich”, in der Mitte das Bild unseres Kirchenpatrons d. hl. Joh. des Täufers und unten die Aufschrift „Gegossen im Jahre des Herrn 1924 von Rudolf Perner in Budweis”. Die kleine Glocke hatte ein Gewicht von ca. 30 Kg und einen Durchm. von 34 cm. Aufschrift auf einer Seite: “L.P. 1924”, Siegel Rudolf Perner, Budweis, auf der zweiten Seite ein Bild, die Armen Seelen im Fegefeuer, darauf stehen die schmerzhafte Muttergottes mit dem gekreuzigten Heiland. Für die abgelieferten Glocken wurde von der Reichsstelle f. Metalle i. A. Kreishandwerkerschaft Kaplitz eine Empfangsbestätigung auf 530 Kg Metall ausgestellt mit Datum vom 1. Juni 1942.”
Die 1942 verbliebene dritte Glocke (siehe Abbildungen) befindet sich immer noch im Turm der Pfarrkirche. Glockenstuhl und Glocke scheinen funktionstüchtig. Wir hoffen, dass wir diese Glocke demnächst wieder läuten können - spätestens zum ersten feierlichen Gottesdienst nach Ende der Kirchenrestaurierung. > Chandler-Glocke > Nachtrag 2015 >> GLAUBE UND HEIMAT Jahrgang 62 / Heft 5 / Mai 2010
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Die Sonnberger Pfarrchronik (Chronist: Pfarrer Franz Reichenauer) berichtet über die Abnahme der Glocken wie folgt:
"Am 19.01.1942 nahmen die Glocken von uns Abschied, und zwar die größere und die kleine, die mittlere blieb. Die Abnahme der Glocken hatte die Baufirma Hoffelner aus D. Beneschau über. Als Arbeiter waren Zimmerleute aus Chwalkahof beschäftigt. Vor der Abnahme konnten wir noch alle einmal hören. Als die große Glocke die Glockenstube verließ und herabgelassen wurde, gab die mittlere Glocke das Abschiedsgeläute. Somit wissen wir also im Detail, wie diese beiden Glocken beschaffen waren und seit wann sie zum Sonnberger Geläut gehörten. Beide sind 1924 in der Glockengießerei von Rudolf Perner in Budweis gegossen worden. Leider gibt der Chronist keine weiteren Informationen über die Kosten der Glocken, wer sie finanziert oder gespendet hat und wann sie tatsächlich geweiht wurden. So können wir nur vermuten, dass die Glockenweihen im Jahr 1924 oder spätestens 1925 stattfanden. Die Weihe der großen Glocke wird nur durch einen Eintrag in der Chronik der Ortschaft Haid belegt: "Am 28. September 1924 wurde in Sonnberg eine 500 kg schwere Glocke auf den Namen Johannes geweiht. Aus diesem Anlasse wurde eine Feldmesse gelesen und eine Festpredigt gehalten. So müssen wir vermuten, dass die Glockenweihe im Jahr 1924 oder 1925 stattfand. Die schöne Feier war vom schönsten Wetter begünstigt.“ 3.) Vielleicht finden sich aber noch Zeitzeugen, die darüber berichten können. Ansonsten ist es schon ungewöhnlich, dass die Sonnberger Pfarrchronik, vom damaligen Pfarrer Anton Steinberger seit 1909 über Jahre akkurat geführt, sich über diese wichtigen Ereignisse ausschweigt und überdies ab ca. 1922 bis 1935 keinerlei Eintragungen aufweist. Erst mit der Bestellung eines Pfarradministrators aus Gratzen im Jahre 1935 wird die Chronik weitergeführt. Besser sind wir über den vortrefflichen Glockengießer Rudolf perner informiert: Die Glockengießerei Perner wurde bereits Ende des 18. Jahrhunderts in Budweis gegründet4.). Ursprünglich stammen die Perners aus Pilsen, wo Johannes Perner 1710 eine Gießhütte errichtete und die Familientradition der Glockengießer begründete. Diese Gießerei stellte leider 1905 ihren Betrieb ein, im Gegensatz zum Familienzweig der Perners in Budweis, die seit dem 18. Jahrhundert dort ansässig, ihre Glockengießerei erst 1945 mit der Vertreibung schließen mussten und 1947 in Passau neu begründeten. Bis heute werden bei Perner in Passau Glocken gegossen und in alle Welt geliefert. |
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Nun zur ältesten und wertvollsten Sonnberger Glocke, die alle Kriege und Wirren bis heute überstanden hat, noch heute im Turm der Sonnberger Kirche hängt und nach ihrem Glockengießer die "Chandler-Glocke" genannt wird:
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Glockenzier und Glockenkrone: Was die Ausstattung bzw. die Glockenzier betrifft, so ist die Sonnberger Glocke relativ schmucklos gehalten. Bis auf einen ca. 8 cm hohen umlaufenden Ornamentstreifen mit Renaissance-Zierformen am oberen Rand des Glockenkörpers (siehe Abbildung), finden sich keine weiteren Schmuckelemente. Das Glockenmedaillon: Nach der Inschrift des Medaillons zu urteilen, wurde die Glocke von einem Paul“Chandler 1574 in Freistadt gegossen. |
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In der „Glockenkunde“ von Karl Walter5.), dem deutschen Standardwerk zur Glockenkunde, wird ein Paulus in Freistadt aufgeführt: „Paulus, nach der Chronik von Strengberg beigenannt, Springinsfeld, in Freistadt in Oberösterreich, Glocke von 1573 in Stephanshart, Diözese St. Pölten“. 6.) |
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Ob unsere Glocke tatsächlich in Freistadt gegossen wurde, ist sehr fraglich. Im Mittelalter bis in das 18. Jahrhundert hinein war es üblich, dass fahrende Glockengießer vor Ort mit dem Glockenguss beauftragt wurden. Straßenverhältnisse und Transporttechnik waren noch nicht so, dass bis zu tonnenschwere Glocken über weite Entfernungen zu vertretbaren Kosten transportiert werden konnten. Bequemer und vor allem kostengünstiger war es, vor Ort gießen zu lassen. Außerdem konnte der Auftraggeber die Qualität des Schmelzgutes unmittelbar kontrollieren und war so vor möglichen Betrügereien gefeit. 7.)
Zur Qualität der Glocke ist zu berichten, dass zur fraglichen Zeit (Hochrenaissance in Deutschland), das Handwerk des Glockengießers bereits im Niedergang begriffen war. Auch hier in den österreichisch/böhmischen Landstrichen wurde anscheinend nicht mehr nach alten überlieferten Traditionen geformt und gegossen. Nicht anders ist es zu erklären, dass unsere Glocke, obwohl noch 1574 entstanden, ihren Proportionen nach nicht mehr als hochwertige spätgotische Glocke sondern bereits in der (Rippen-)Form8.) einer klassischen Renaissance-Glocke9.) gegossen wurde. Unterhalb des großen bereits beschriebenen Medaillons mit den Initialen des Glockengießers fällt jedoch noch ein kleines ca. 8 cm großes kreisrundes Medaillon oder Siegel auf, das dem oberflächlichen Betrachter einige Rätsel aufgibt. |
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Als Schmuckmedaillon zu klein, wird es von Form und Inhalt vermutlich eher eine hoheitliche Funktion als Siegel haben: In der Mitte dominiert ein Wappenadler, in der Aufsicht Blickrichtung nach links, mit einem Wappenschild als Korpus, waagerecht gestreift mit Wappenschild. Nach Bild und Ausstattung (Adler, hier zusätzlich mit dreistreifigem Bindenschild auf dem inliegenden Wappenschild) entspricht die Heraldik dem Tiroler Wappenadler und lässt sich damit auf das Wappen der Grafen von Tirol zurückführen. Dieses bayerische Hochadelsgeschlecht mit Stammsitz Burg Tirol bei Meran, schuf die territoriale Basis für die spätere Grafschaft Tirol. Die Habsburger, seit 1363 im Besitz der Grafschaft Tirol, übernahmen diesen Tiroler Adler als Zeichen ihrer landesfürstlichen Hoheit.11.)+ • • + Der Bindenschild wiederum war ursprünglich das rot-weiß-rote Wappen der Babenberger für deren Besitzungen in der Mark im Osten Bayerns, das heutige Ober- und Niederösterreich. Und bereits 1282, als die Habsburger Herzöge von Österreich wurden, wurde der Bindenschild in die Heraldik der Habsburger übernommen und in den folgenden Jahren zum eigentlichen Wappen der Dynastie weiterentwickelt. In der Folge nannten sich die Habsburger auch Haus Österreich. Die herrschenden Habsburger in Spanien führten z. B. nicht den Namen Habsburg sondern Casa de Austria. Rot-Weiß-Rot ließen die Habsburger in alle Staatssymbole einarbeiten; es war das Symbol der herrschen Oberhoheit. Das Regionalwappen blieb (hier der Tiroler Adler); es zeigte die Habsburger als jeweiligen Landesherrn.12.) |
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Umschrift des Siegels: |
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+ I N F A N S • H I S P A N I E N • A R C H I D V X • A V S T R I E • D V X • B V R V G U N D I E + |
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Die Umschrift des Siegels, die zwar im Laufe der Jahrhunderte arg gelitten und mehrere Fragmente ziemlich kryptisch erscheinen,konnte mit einiger Mühe doch noch entschlüsselt werden (das U wird als V dargestellt)13.): |
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+ PRINZ VON SPANIEN • ERZHEROG ZU ÖSTERREICH • HERZOG ZU BURGUND + |
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Heraldik und Umschrift des Siegels passen zur Datierung der Glocke (1574), künden von der Machtfülle der Habsburger zu jener Zeit und lassen sich konkret Kaiser Maximilian II (*1527 in Wien, †1576 in Regenburg) zuordnen. Maximilian wurde 1562 in Prag zum König von Böhmen gekrönt und im gleichen Jahr in Frankfurt zum Römisch-Deutschen König gewählt. 1564 folgte er seinem verstorbenen Vater Ferdinand I. auf den Kaiserthron nach.14.) Kaiser Maximilian II, römisch-deutscher Kaiser seit 1564, starb 1576. Ihm folgte sein Sohn, der Habsburger Rudolf II., der seit 1572 die ungarische Stephans- und seit 1575 die böhmische Wenzelskrone trug und 1576 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gekrönt wurde. Seine Kindheit verbrachte Maximilian im Hause der Eltern in Innsbruck/Tirol. Sein Onkel Kaiser Karl V. holte ihn mit 17 Jahren nach Spanien und verheiratete ihn mit seiner Tochter Maria. In der Abwesenheit des Kaisers regierte Maximilian als Statthalter in Spanien (seit 1548). - Hier finden wir die Titel der Umschrift und die Heraldik wieder, wie beschrieben. Die Zeit Maximilians II. war geprägt von konfessionellen Unruhen. Er vertrat die Idee, er müsse als Kaiser über den Konfessionen stehen. Anscheinend hegte er auch gewisse Sympathien für die Lehren des Protestantismus und machte daraus auch kein Hehl. In den Auseinandersetzungen um die Nachfolge Karl V. – nach dessen Tode sollte sein Bruder Ferdinand und danach nicht dessen Sohn Maximilian (unser Maximilian) sondern Karls Sohn, Philipp von Spanien, die Kaiserwürde übernehmen - opponierte Maximilian mit Hilfe des protestantischen Lagers im Reich erfolgreich gegen diese Pläne. |
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In seiner Religionspolitik war Maximilian vergleichsweise tolerant und versuchte zwischen den Konfessionen auszugleichen. Den österreichischen Ständen bot er 1568 eine Religionskonzession auf der Basis des Augsburger Bekenntnisses von 1530 an. Das wiederum führte zu erheblichen Irritationen und Widerständen im habsburgischen Europa. Als König von Böhmen nahm Maximilian 1575 in Prag von den Ständen die „Böhmische Konfession“, einem gemeinsamen Bekenntnis aller protestantischen Strömungen Böhmens, entgegen. Letztlich blieb Maximilian bis zu seinem Tode ein „Wanderer zwischen den Welten“ – sowohl Protestanten als auch Katholiken versuchten ihn auf ihre Seite zu ziehen: Auf dem Sterbebette verweigerte er die letzte Ölung und die Sterbesakramente – er fühlte sich dem Protestantismus näher als der katholischen Kirche.
Soweit die Spuren der Habsburger in Südböhmen und die Zeitumstände, als unsere Glocke nach Sonnberg kam… Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass die Sonnberger Kirche die Wirren des beginnenden 17. Jahrhunderts mit ihren wechselnden Konfessionen in der Region und die folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen während des Dreißigjährigen Krieges unbeschadet überstehen konnte.15.) Über die Jahrhunderte danach wissen die Quellen über Sonnberg wenig zu berichten. Abseits des großen Weltgeschehens gelegen, gingen die großen Ereignisse an der südböhmischen Idylle anscheinend spurlos vorüber. Bis im 20. Jahrhundert mit den Katastrophen der beiden Weltkriege und den Ereignissen danach die kleine Welt Sonnbergs, das alte Sonnberg, endgültig unterging. Die „Übriggebliebene“ soll bleiben - zur Erinnerung, zur Mahnung und zur Versöhnung! © Ernst Wohlschläger (2010)
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1a.)Topographie der Historischen und Kunst-Denkmale. Der politische Bezirk Kaplitz. von Anton Cechner, Prag 1929, Sonnberg, Seite 412 bis 424 |
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1b.) Sonnberger Pfarrchronik, 1942, Pfarrer Franz Reichenauer |
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1c.) Topographie der Historischen und Kunst-Denkmale. Der politische Bezirk Kaplitz. von Anton Cechner, Prag 1929, Sonnberg, VORWORT, Prag 1929 |
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1d.) Insgesamt wurden von 1939 bis 1945 über 90.000 Glocken nach Hamburg verbracht. Davon wurden ca. 75.000 Glocken eingeschmolzen. Wikipedia/Glockenfriedhof
2.) Siehe auch „Beitrag zur südböhmischen Glockengeschichte“ von Fritz Huemer-Kreiner, Glaube und Heimat, Jahrgang 19, 15. Oktober 1967, Nr. 20, S. 827/828
3.) Ortschronik Haid, Seite 76, Staatsarchiv Trebon/Wittingau http://digi.ceskearchivy.cz/
4.) Glockenmuseum Stiftskirche Herrenberg/Glockengießer
5.) Karl Walter: Glockenkunde. Regensburg 1913
6.) ebenda, Seite 837
7.) ebenda, Seite 672
8.) Glockenrippe: Formgebung und Profilgestaltung der Glocke.
9.) Renaissance-Glocke (französische Rippe): Verhältnis der Glockenhöhe zum Rippenradius: 4:2,2
10.) Spätgotische Dreiklangrippe: Verhältnis der Glockenhöhe zum Rippenradius: 4:1,8
Glockenmuseum Stiftskirche Herrenberg/Entwicklungsgeschichte der Glocken 11.) Wikipedia: Tirol
12.) Ebenda: Haus Habsburg
13.) Übersetzung/Interpretation: Michael Ambrosch, Wien
14.) Wikipedia: Maximilian II.
15.)Siehe auch „Theobald Hock - Poet und Herr der Feste Sonnberg von 1610 bis 1618“,
Ernst Wohlschläger, Glaube und Heimat, Jahrgang 60, August 2008, Nr. 8, Seite 14 f., > weiter zur Turmuhr > |